Die Stanze (ital. stanza, „Raum“ im Sinne von: Gedanken Raum geben), auch: Oktave (ital. Ottava rima), ist eine aus Italien stammende Strophenform. Eine Stanze besteht aus acht Endecasillabi und hat das Reimschema [abababcc]; im Deutschen wird als Vers der jambische Fünfheber verwendet.

Italienische Dichtung

In Italien wurde die Stanze von Giovanni Boccaccio bei größeren Versepen verwendet und so bekannt gemacht, Il Filostrato (1335) und Teseida (1341). Weitere bedeutsame in Stanzen geschriebene Werke sind Ludovico Ariostos Orlando furioso (1516–1532) und Torquato Tassos La Gerusalemme Liberata (1574). Daraus als Beispiel die erste Stanze des ersten Gesangs:

In der deutschen Übersetzung von Johann Diederich Gries:

Deutsche Dichtung

Das erste große deutsche Stanzenepos war die Versübertragung von Torquato Tassos Gerusalemme liberata (1574) durch Diederich von dem Werder. Weitere im 17. Jahrhundert entstandene Übersetzungen aus italienischen Texten verwendeten als Vers den Alexandriner, die für die Stanze kennzeichnende Reimstellung wurde nicht immer beachtet.

Die eigentliche deutsche Entsprechung der italienischen Strophe kam 1774 mit den 40 Stanzen in Gebrauch, die Wilhelm Heinse seinem Roman Laidion angefügt hat. Johann Wolfgang Goethe folgte Heinses Vorbild, und die von diesen beiden Dichtern verwendete Form der Strophe wurde zur Hauptform der deutschen Stanze. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war die Stanze dann eine angesehene und vielverwendete Form; danach nahm ihre Bedeutung langsam ab. In der Dichtung des 20. Jahrhunderts spielte die Stanze nur noch eine kleine Rolle.

Form

Die von Heinse und Goethe geschaffene Hauptform der deutschen Stanze besteht aus acht jambischen Fünfhebern mit der Reimanordnung [abababcc]; V1, V3, V5, V7 und V8 schließen dabei weiblich-unbetont, V2, V4, V6 schließen männlich-betont: w m w m w m w w. Als Beispiel die erste Stanze der Zueignung in Goethes Faust I:

Goethe schätzte dabei wie Heinse die Zäsur (oder doch zumindest den Wortschluss) nach der vierten Silbe.

Die genaueste Nachbildung des italienischen Vorbilds enthält ausschließlich weiblich-unbetonte Versschlüsse: w w w w w w w w. So sind viele Stanzen der Romantiker gebaut. Als ein spätes Beispiel die erste der winterlichen Stanzen von Rainer Maria Rilke:

Aber auch Stanzen mit ausschließlich männlichen Versschlüssen (m m m m m m m m) oder zwar wechselnden, aber männlich-betont einsetzenden Versschlüssen (m w m w m w m m) finden sich. Oft wechseln in längeren Stanzengedichten alle diese Formen untereinander.

Verwendung

Nach italienischem Vorbild wurde die Stanze auch in der deutschen Dichtung in längeren Verserzählungen benutzt, beispielsweise von Josef Viktor Widmann. Größer ist aber ihre Bedeutung als lyrische Strophe; auch im Drama ist sie verwendet worden.

Verwandte Formen

Aus der Stanze entwickelte oder mit ihr eng verwandte Formen sind: Siziliane, Nonarime, Huitain und Spenserstrophe. Die siebenzeilige Stanze Geoffrey Chaucers hat das Reimschema ABABBCC; sie wird auch von den Dichtern der schottischen Renaissanceliteratur verwendet.

Literatur

  • Jakob Minor: Neuhochdeutsche Metrik. 2. Auflage, Trübner, Strassburg 1902, S. 466–470.
  • Gerhard Bünte: Zur Verskunst der deutschen Stanze (= Bausteine zur Geschichte der neueren deutschen Literatur; Band XXII). Max Niemeyer, Halle (Saale) 1928.
  • Horst Joachim Frank: Handbuch der deutschen Strophenformen. Hanser, München & Wien 1980, S. 661–663 und S. 671–679.
  • Konrad Beyer: Deutsche Poetik, 1. Band. 3. Auflage, Behr, Berlin 1900, S. 550–558.

Einzelnachweise

Siehe auch

  • Gstanzl

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